Zwei geschichtsträchtige Orte im Hamburger Untergrund: Der Tiefbunker am Hamburger Hauptbahnhof und der Schellfischtunnel in Altona – zwei echte Geheimtipps!
Dieses Jahr hat es endlich geklappt… Ich konnte eine Führung durch den Hamburger Schellfischtunnel buchen.
Normalerweise ist der Tunnel gesperrt und wird nur zu Wartungszwecken einmal im Jahr geöffnet. Dank des Hamburger Unterwelten e.V. ist es möglich, diesen Tunnel im Rahmen einer Führung zu besichtigen. Doch wer jetzt denkt, er kann mal eben einen Termin klar machen, liegt falsch: Die Auflagen der Stadt sind so hoch, das der Tunnel nur am Tag des Offenen Denkmals für die Öffentlichkeit freigegeben wird. Und das ist immer Anfang September. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach den angebotenen Führungen… Der Hamburger Unterwelten e.V. hat sich jedoch etwas Cleveres ausgedacht: Die Termine werden gestaffelt zum Buchen freigegeben – somit haben auch Interessierte die Möglichkeit, einen Termin zu bekommen, die nicht gleich am ersten Tag online sind. Und das Beste daran: Sie sind kostenlos!
Der Schellfischtunnel
Der Tunnel erstreckt sich vom Altonaer Bahnhof bis hinunter zum Altonaer Balkon. Er unterquert das Altonaer Rathaus, welches früher als Bahnhof diente und zugleich die beiden Tunnelabschnitte unterteilt. Der untere Teil wurde 1876 auf einer Länge von 395m eröffnet und löste damit die „Schiefe Ebene“ ab. Diese oberirdische Verbindung diente bis dahin dazu, auf Rollböcken fixierte Güterwagen mittels Seilaufzug vom Hafen zum alten Bahnhof zu bewegen.
Bis 1895 wurde der Tunnel zum heutigen Altonaer Bahnhof verlängert. Damit ist der Altonaer Hafenbahntunnel – so der offizielle Name – 951m lang. Er wurde ausschließlich für den Gütertransport genutzt. Zwischen 1911 und 1954 wurde diese Strecke elektrifiziert betrieben. Die, auf die Tunnelbedingungen angepasste Spannung von 3kV wurde über eine Oberleitung bereitgestellt. Noch heute kann man die Befestigungen sehen. Der Tunnel war bis in die 1990er Jahre in Betrieb.
Doch während der Führung erfährt man noch weit mehr über die Entstehung, die Nutzung, die notwendigen Modifikationen und natürlich über Pläne der Wiedernutzung des Tunnels. Mit alten Bauplänen wird der zweistufige Bau anschaulich erklärt. Dazu stoppt die Gruppe immer wieder im Tunnel, um den Erläuterungen der sehr kompetenten Führerinnen zu lauschen. So wird z.B. auf eindrucksvolle Art und Weise mit alten Fotos gezeigt, wie die Hamburger S-Bahn unter dem Tunnel gebaut wurde. An einer anderen Stelle wird gezeigt, wie und warum die Tunneldecke abgesenkt werden musste. Dazwischen geht es immer wieder im Taschenlampenschein über die alten, aber gut erhaltenen Gleise. Als Teilnehmer hat man jederzeit Gelegenheit, Fragen zu stellen oder selber etwas zur Bereicherung beizutragen. So diskutierten wir über die mögliche Entgleisung eines Zuges im Tunnel, über die Herkunft der verwendeten Ziegel und über Gerüchte eines angeschlossenen Bunkers, der einen Zugang von der Palmaille haben soll.
Noch mehr Zahlen, Daten und Fakten gibt es auf anderen Internetseiten, auf die ich hier gern hinweisen möchte. Dort kann man sich sehr detailliert über die Entstehung und Nutzung informieren und spektakuläre 3D Ansichten genießen.
Eine davon ist die Seite des Hamburger Unterwelten e.V.. Dieser Verein bietet auch Führungen in anderen Lokationen Hamburgs an. Auf den Schellfischtunnel wurde ich übrigens durch eine Führung durch den Tiefbunker am Hamburger Hauptbahnhof aufmerksam.
Der Tiefbunker Steintorwall
Die Besichtigung dieses überwältigenden Bauwerkes liegt schon ein paar Jahre zurück – aber die Eindrücke werden wohl für immer in meinem Gedächtnis bleiben.
Anders als beim Schellfischtunnel werden hier regelmäßig Führungen zum Preis von 7€ angeboten. Informationen zur Buchung und wichtige Hinweise für die Tour findet man weiter unten bei den Links.
Treffpunkt für die Führung ist einer der Nebeneingänge des Bunkers auf der Westseite des Hauptbahnhofes. Dort kommt man bereits das erste Mal mit den so genannten „Dosieranlagen“ in Kontakt. Diese sollten eine Überbelegung des Bunkers verhindern… Ich gehe später noch etwas genauer darauf ein.
Die Tour durch den Südteil des Bunkers beginnt mit einem kleinen Film. Danach startet die Führung, in der man nahezu alles über die Entstehung, Nutzung und Stilllegung erfährt:
Der Bunker wurde von 1941-44 als Zivilschutzanlage für durchreisende Bahngäste im Rahmen des „Führer-Sofortprogramms“ gebaut. Er besteht aus zwei unabhängigen Teilanlagen und konnte zu diesem Zeitpunkt 2460 Menschen aufnehmen. Der Bunker war mit seinen 3,75 dicken Betonwänden als Schutz vor möglichen Luftangriffen errichtet worden.
Da eine Sprengung des Bunkers nach dem zweiten Weltkrieg zu gefährlich war, wurde er erhalten und im Kalten Krieg zum Atomschutzbunker umgebaut. Seit 1969 besitzt er einen 160m tiefen Brunnen, eine eigene Stromversorgung über Dieselmotoren und aufwendige Filteranlagen. Die „hässliche Litfaßsäule“ zwischen dem Bahnhofsgebäude und dem Steintorwall ist übrigens der Auspuff der Dieselmotoren und beherbergte die Funkantenne – die einzige Möglichkeit, um mit der Außenwelt zu kommunizieren.
Neben diesen Fakten gibt es jede Menge interessante Kleinigkeiten zu bestaunen: So besteht die Krankenstation lediglich aus einem kleinen Raum mit einer Hausapotheke, wie man sie heutzutage zu Hause hat.
Interessant ist auch die Startausrüstung, die jeder Schutzsuchende erhält, wenn er den Bunker betritt. Etwas skurril sind die Decken, die jeder zum Schlafen erhält: Sie stammen aus den Liegewagen der Bahn und enthalten einen nicht ganz passenden Wortlaut:
Sehr verehrter Reisefreund!
Diese Moltex-Decke – aus einem neuartigen Material hergestellt – ist in dem Bestreben geschaffen worden, Ihnen zu günstigen Bedingungen eine hygienisch einwandfreie Reisedecke zu bieten, die leicht ist und gute Wärmeeigenschaften besitzt.
Wir hoffen, daß Ihnen diese Decke auf der Hin- und Rückfahrt gute Dienste leistet. Auch nach ihrer Reise werden Sie in Ihrem Garten oder auf dem Balkon noch Freude an der Moltex-Decke haben.
Angenehme Reise in unserem Liegewagen und gute Erholung!
Na dann… hoffentlich ist der Garten nicht zu sehr radioaktiv konterminiert!
Sehr ausführlich wird auf die Nutzung als Atomschutzbunker eingegangen. Die damit verbundene Aufenthaltsdauer von 14 Tagen erforderte besondere Filter und eine strikte Reglementierung der Personenanzahl. Der Bunker war so konzipiert,
das er autark 2702 Schutzsuchende mit Wasser, Strom, Verpflegung und gefilterter Atemluft versorgen konnte. Damit der Bunker nicht überbelegt wurde, wie es im zweiten Weltkrieg häufig vorkam, wurden spezielle Eingangstore installiert, die mit Trittsensoren gekoppelt waren. Diese schlossen sich automatisch beim Erreichen der maximalen Personenzahl. Die Eingangstore sind so konstruiert, das von außen nachströmende Schutzsuchende zurückgedrückt werden, ohne von der Tür zerquetscht zu werden. Dahinter befinden sich gasdichte Schleusen. Für Interessierte ohne Neigung zur Klaustrophobie wird die Funktionsweise live vorgeführt!
Damit der Bunker mit möglichst wenig Personal betrieben werden kann, sind alle Bedienungsanleitungen an die Wände geschrieben. Die Schrift erinnert noch an die Zeiten des zweiten Weltkrieges.
Auch auf die Verhältnisse während des Aufenthaltes wurde eingegangen. So gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Betten und Sitzmöglichkeiten. Über einen geregelten Tagesablauf sollte dann durchgetauscht werden. Alle anfallenden Tätigkeiten wurden von Schutzsuchenden selbst durchgeführt.
Am Ende der Führung blieb bei mir ein leicht bedrückendes Gefühl… Wie muß es hier wohl zugehen, wenn man zwei Wochen unter der radioaktiv verseuchten Oberflächte verbringt?
Dieser Rundgang ist für Untergrundbegeisterte ein absolutes Muß.
Wer noch mehr über den Bunker und den Tunnel erfahren möchte, sollte sich auf jeden Fall folgende Internetseiten ansehen:
– Unter-Hamburg e.V.: Der Schellfischtunnel – (k)ein Geistertunnel in Altona?
– Geschichtsspuren.de: Der Schellfischtunnel in 3D
– Hamburger Unterwelten e.V.: Tag des Offenen Denkmals 2010
– Hamburger Unterwelten e.V.: Tag des Offenen Denkmals 2012
– wikipedia: Altonaer Hafenbahntunnel
– Unter-Hamburg e.V.: Ein vergessener unterirdischer Ort in Hamburgs Innenstadt
– Hamburger Unterwelten e.V.: Der Bunker am Hauptbahnhof Hamburg
– wikipedia: Tiefbunker Steintorwall
* Die Links sind gleichzeitig Quellenverzeichnis